โHow many years โฆโ – es gibt wohl kein Lagerfeuer im Universum an dem diese Zeile nicht schon gesungen wurde. Nun feiert Bob Dylan bald einen Geburtstag, bei dem seine Altersgenossen eher bei Tee und Zwieback Gymnastik zu โHoch auf dem gelben Wagenโ machen. Wir gratulieren trotzdem schonmal zum 80. im Mai mit der Songstory zu โThe Times are a changingโ. Passt ja auch – irgendwie.
Mr. Protestsong – Bob Dylan
Viel ist รผber Bob Dylan schon gesagt und geschrieben worden. Nicht zuletzt auch von ihm selbst. Fassen wir kurz zusammen: Bob heiรt eigentlich Robert. Er kommt aus einer Arbeiterfamilie. Seine Eltern fรถrdern ihn auch musikalisch. โIch wollte immer schon Gitarrist und Sรคnger sein. Seit ich zehn, elf oder zwรถlf war, war dies das einzige, was mich interessierte โฆ โ, sagt er selbst รผber seine Jugend.
1961 zieht Bob Dylan in New York in das Kรผnstlerviertel Greenwich Village, lernt dort verschiedene Musikstile und seine erste groรe Liebe kennen. Bestรคndig bleibt die Bewunderung fรผr den Folksรคnger Woody Guthrie, der Dylan in den ersten Jahren seiner musikalischen Laufbahn stark beeinflusst. Die Eindrรผcke am Krankenbett von Woody Guthrie verarbeitet Dylan in einer seiner ersten Eigenkompositionen โSong to Woodyโ. Seine ersten Alben, die รผberwiegend Fremdkompositionen enthielten, waren kommerziell nicht erfolgreich.
Das รคnderte sich mit den Alben โThe Freewheelinยด Bob Dylanโ und โThe Times Tey Are a-Changeingโ. Beide Verรถffentlichungen enthalten Meilensteile der Protest-Folkmusik. โBlowing in the Windโ, โMasters of Warโ, โA Hard Rains a-Gonna Fallโ und eben โThe Times They Are a-Changingโ trafen den Nerv der Zeit und wurden zu Hymnen der Friedens- und Protestbewegung. Im August 1963 trat Dylan mit Joan Baez und anderen Folksรคngern auf der Abschlusskundgebung des Civil Rights March nach Washington auf. Hauptredner war dort Martin Luther King mit seinem berรผhmten โI Have a Dreamโ.
Bestรคndig im Wandel – immer missverstanden
Dylan war also mit seinen sozialkritischen Friedensliedern nun eigentlich im Musik-Establishment angekommen. Die Bedeutung, die seinen Songs beigemessen wurde, wurde ihm wohl auch selbst unheimlich. In seiner 2004 erschienenen Autobiografie erklรคrt er โDie groรen Nervensรคgen in der Presse nannten mich weiterhin die Stimme, den Sprecher oder gar das Bewusstsein einer neuen Generation. Das war verrรผckt. .. Ich hatte kaum etwas gemeinsam mit dieser Generation, von der ich angeblich die Stimme war, geschweige denn, dass ich viel von ihr wussteโ. Dylan hadert bis heute mit dem, wofรผr er gefeiert wird. Mit Ausflรผgen in die Rockmusik, in den Kitschpop und in das Hardcore-Christentum verschreckte er Teile seiner Fangemeinde. Oft hatte man den Eindruck, dass der ein oder andere musikalische Wechsel im Grunde die Befreiung vom Klischee des Protestsรคngers mit Mundharmonika und Gitarre zum Ziel hatte. Welch ein Unterschied zum Leben Pete Seegers!
Song mit Absicht!
„Das war definitiv ein Song mit einer Absicht. Ich wollte einen groรen Song schreiben, mit kurzen, prรคgnanten Strophen, die sich auf eine hypnotische Art und Weise aufeinander tรผrmen. Die Bรผrgerrechtsbewegung und die Folk-Musik-Bewegung standen sich eine Zeit lang ziemlich nahe und verbรผndeten sich zu dieser Zeit.“ Unumwunden beschreibt Dylan das Ziel auf der Welle des Zeitgeistes mit diesem Lied zu reiten. Hier bricht sich nicht in erster Linie politische รberzeugung Bahn, sondern eher der Wunsch hymnisch ein Lebensgefรผhl zu bedienen. Das ist Dylan perfekt gelungen, auch wenn hรคufig kritisiert wird, dass der Text – wie auch bei โBlowing In The Windโ keinerlei Lรถsungsansรคtze formuliert. Aber wer erwartet das von einem Song? Da nimmt man doch eher mal ein Buch ๐
Tatsรคchlich liest man nach den Erfahrungen der (hoffentlich) letzten Tage der Trump-Regierung einige Zeilen des Liedes mit anderen Augen. Frei รผbersetzt:
Kommt Senatoren, Kongressabgeordnete
Bitte hรถrt auf den Ruf
Steht nicht in der Tรผr
Verstopft nicht den Flur
Denn der, der verletzt wird
Wird derjenige sein, der sich aufhรคlt
Die Schlacht drauรen tobt
Wird bald an Deinen Fenstern rรผtteln
Und Deine Wรคnden erschรผttern
Denn die Zeiten, sie sind im Wandel.
Wahrscheinlich bleibt wirklich kein Platz fรผr Zwischentรถne in einem โarchetypische Protestsongโ, wie der Kritiker Michal Gray โThe Times They Are a-Changingโ bezeichnet hat.
Das Stรผck spielen
Durch den 3/4-Takt des Songs entsteht ein echtes โDrehmomentโ. Etwas flotter gespielt, mรถchte man Walzer tanzen! Auch harmonisch steht das Stรผck in der Tradition alter Folksongs. Mit den Akkorden der 1. 4. und 5. Stufe neben den Parallelakkorden der ersten und vierten Stufe kommt man gut durch. Also in G-Dur: G, C, D und e-Moll, a-Moll. Ein bisschen schrรคg Mundharmonika dazu – fertig!
Tabs und Text gibt es zum Beispiel hier. https://tabs.ultimate-guitar.com/tab/bob-dylan/the-times-they-are-a-changin-chords-14943