Eine kleine Geschichte der Gitarre


Wer hat eigentlich die Gitarre erfunden? Waren es die Götter, steinzeitliche Kriegsdienstverweigerer oder ein Syndikat aus Vorderasien? Auch diese Kolumne stochert genußvoll im Nebel!

Göttlicher Beistand beim Instrumentenbau

Gitarrenspieler hatten es immer schon gewusst: Unser Instrument hat göttlichen Ursprung! Schon Orpheus brachte mit Gesang und Kitharaspiel Steine zum Weinen. Und von Hermes, dem Götterboten, wird berichtet, dass er mit einem Schildkrötenpanzer und Schafdärmen experimentierte und sich zu eher schlüpfrigen Texten selbst begleitete.

In anderen Teilen Europas war man erst später und mit rudimentärer Technik so weit. In der Drei-Brüder-Höhle in Südfrankreich hat man eine Zeichnung gefunden, bei dem ein gespannter Jagdbogen mit dem Mund gezupft wird. Der Mundraum diente dabei als Resonanzraum.

Sind also unsere Gitarristenvorfahren religiös motivierte Schürzenjäger und Softies, die anstatt ordnungsgemäß wilde Tiere und Feinde zu jagen, lieber auf einem Bogen rumzupften? Sieht so aus. Gut, das alles ist knapp 5000 Jahre her – also Schwamm drüber!

Brandstifter und Angeber

Eifrig mitgemischt haben damals auch die Assyrer mit ihrer Chetarah, die Häbräer mit ihrer Kinnura und die Chaldäer im südlichen Mesopotamien mit ihrer Qitra. Entscheidend für die Weiterentwicklung des Instrumentes waren zwei Dinge: Die Anzahl der Seiten – der Bogen aus der Höhle war ja ein Einsaiter – und die Entwicklung des „Griffbrettes“. Bei ersterem erlebte die Kithara in der Zeit um Nero einen Innovationsschub. Kithara war voll angesagt! So hat sich Nero, der alte Brandstifter und Profilneurotiker, gerne auf Vasen malen und in Marmor hauen lassen. Uns interessiert mehr das Instrument, mit dem er als wohl leidlich begabter Kitharöde oder Kitharist (??) posierte. Mehrere Saiten!

Interessant auch, dass um 160 n. Chr. auch von einer Kithara aus purem Gold mit reichen Verzierungen berichtet wurde. Ob Evangelos, ein griechischer Kithara – Virtuose, dies aus Gründen der Tongebung tat, oder einfach nur ein paar mehr Groupies abschleppen wollte, bleibt im Dunkeln der Geschichte leider verborgen. Die griechische Erfindung mit einer Seite durch „greifen“ verschiedene Töne zu erzeugen, also nicht mehr auf harfenähnlich gespielte Bordunsaiten angewiesen zu sein, erwies sich zunächst als Flop. Wollte keiner haben! Gut, die Teile hatten einen „fretless neck“ – waren also wohl nicht sooo einfach zu spielen. Dennoch hat sich die Nummer mit dem Griffbrett, wie wir wissen, auf Dauer durchgesetzt.

Nach allerlei Umwegen über die italienische Chrotta, die brittische Cister und das Hamburger Cithrinchen entsteht in Spanien ein Instrument, das als der direkte Vorfahre der heute geläufigen Gitarre gelten kann: Die Vihuela.

Francisco Tárrega

Schluss mit Verwirrung!

Machen wir einen kleinen Zeitsprung. Es gäbe zwar von doppelchörigen Instrumenten in eigenartiger Stimmung und Vihuelas mit vier, sechs und sieben Saiten zu berichten, aber wir haben ja in dieser kleinen Kolumne nicht ewig Zeit. Nur eines noch: Im 16. und 17. Jahrhundert tauchen Komponisten auf, die jedem klassisch interessierten Gitarristen noch heute geläufig sind: Alonso Mudarra, Robert de Visée und Luis de Narváez.

Um 1800 herum hatte sich die „sechste Saite“ auf unserem Instrument endgültig durchgesetzt. Der aufmerksame Leser merkt: Griffbrett vorhanden, sechs Saiten da, Bauform schon erkennbar Gitarre – da fehlt eigentlich nur noch eine amtliche Aussage zur Spieltechnik. Tatsächlich wurde bis ins 19. Jahrhundert hübsch durcheinander gezupft, geschlagen und an den Saiten gerissen. „Jungs, ich kann so nicht arbeiten“ hat sich wohl Francisco Tàrrega (1852 – 1909) gedacht und als profiliertester Gitarrist und Lehrer seiner Epoche Meilensteine in der Entwicklung einer verfeinerten Spieltechnik gesetzt. Der Einfluss Tarregás, obwohl er auf Bildern erschreckend ernst und vollkommen lustfrei dreinschaut, ist kaum zu überschätzen. Fernando Sor und Mauro Guliani haben seine Technik weiterentwickelt und Antonio de Torres hat in der Folge ein Instrument gebaut, dass locker als Vorbild für den heutigen Gitarrentypus durchgeht.

Was haben wir gelernt?

„Die Geschichte der Gitarre ist im wesentlichen die Chronik einer der besten Momente der Menschheitsgeschichte“ behauptet Frederic V. Grunfeld in „The Art and Times of the Guitar“. Wohl weil sich nicht mehr mit kriegerischen Auseinandersetzungen, sondern mit kunstvoller Tonerzeugung beschäftigt wurde.

Würde man gerne glauben! Tatsächlich stehen wir aber – dieser Artikel hat das gezeigt – in der Tradition von mehr oder weniger erfolgreichen Frauenhelden, liebenswert naiven Angebern, verwirrten Tüftlern und Menschen auf der Suche nach künstlerischer Befriedigung. Damit kann man doch leben!

Quellen und Buchempfehlungen:

Alexander Schmitz – Das Gitarrenbuch (leider nur noch antiquarisch erhältlich);
Konrad Ragossnig – Handbuch der Gitarre und Laute

Dir gefällt was Du liest? Mit einem Backstage-Ticket unterstützt Du Bestand und Weiterentwicklung von Blog und Podcast und hast exklusive Vorteile.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Kommentare zum Beitrag ...
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments