Nur ganz wenige Folksongs sind zur Hymne einer ganzen Nation geworden. „We shall overcome“, „This Land is Your Land“ oder „Bella Ciao“ vielleicht. Ganz bestimmt trifft dies aber auch auf das irische „The Fields Of Athenry“ zu. Hier die Geschichte von Hunger, Liebe und Trennung.
Die Fußball-Europameisterschaft 2012 hatte ihren ergreifendsten Moment in der 4 : 0 – Niederlage der irischen Mannschaft gegen Spanien. Die Iren waren damit ausgeschieden. Tausende irische Fans sangen „The Fields of Athenry“ bis nach Spielende. Spanier und Reporter schwiegen aus Respekt. Im Stadion hatte wohl jeder verstanden, was die Iren bewegte: „Wir haben verloren, aber wir gehen stolz. Wir singen die Hymne der Underdogs!“
Hungersnot und Verbannung
Die große Hungersnot gilt als Wendepunkt der Geschichte Irlands. Zwischen 1845 und 1849 war die Kartoffel, wie in vielen anderen Ländern auch, das Hauptnahrungsmittel. Eine Kartoffelfäule bescherte mehrere Missernten. In der Folge starben über eine Million Menschen. Zwei Millionen Iren suchten ihr Glück in der Auswanderung. Der britischen Regierung war das Schicksal der Iren ziemlich egal. Die Hoffnung, dass eine indianische Maisart (Lord Trevelyan Corn) Hilfe bringen könnte war zwar trügerisch, jedoch raubten verzweifelte Menschen Läden aus, um an das Korn zu gelangen.
Mit der Inhaftierung war man nicht zimperlich. Schon bei vergleichsweise kleinen Vergehen drohte die Todesstrafe. Andere wurden nach Australien verschifft. Zwischen 1788 und 1868 wurden 162.000 Menschen aus Irland und Großbritannien nach Australien in Straflager deportiert. Die Überfahrt dauerte lange und war eine unglaubliche Strapaze. Viele Menschen starben, bevor sie Australien erreichten. Aus der Verbannung kehrten nur wenige nach Irland zurück.
Hymne der Underdogs
„The Fields of Athenry“, erzählt nun von einem Mann, der nach einem Diebstahl von Mais ins Gefängnis kommt. Ein Schiff bringt ihn in ein Straflager an das Ende der Welt. Traurig klagt seine Frau über die verlorene Liebe. Traurig denkt „Michael“ an Frau, Kind und die Felder seiner Heimat. Die Melodie ist jedoch nicht „nur“ traurig. Eher ergreifend und ein wenig stolz. Die Melodie sagt: Ihr kriegt uns nicht unter!
Man kann verstehen, dass das Lied weltweit als Hymne der aufrechten Underdogs gesungen wird! Wikipedia berichtet von über 400 Coverversionen. Die bekanntesten Interpretationen stammen wohl von Paddy Reilly und von den Dubliners.
Der Songwriter: Pete St. John
Ich muss gestehen, dass ich „Fields of Athenry“ auch zunächst für ein altes und traditionelles Stück hielt. Dabei wurde der Song in den 70er-Jahren von Pete St. John geschrieben. Lange ging auch tatsächlich das Gerücht, dass das Stück selbst im 19. Jahrhundert entstanden wäre. Pete St. John sah sich genötigt zu betonen: „No, the song is not a traditional song even though it is written in that traditional style it is a modern composition by myself, both lyrics and music.“
Es gibt Parallelen im Leben des Songwriters zu seinem Stück. Pete ist Dubliner, wanderte nach Kanada, Alaska, Mittelamerika und die Westindischen Inseln aus. Er arbeitete als Elektriker, Holzfäller, Lkw-Fahrer und Vertriebsmitarbeiter. Pete engagierte sich in der Bürgerrechts- und Friedensbewegung. In den 70er-Jahren kehrte er nach Irland zurück. Er begann Songs zu schreiben, die die sozialen Bedingungen seines Heimatlandes zum Thema hatten.
Fields of Athenry spielen
Die gute Nachricht zuerst: Pete lebt noch und ich hoffe er erfreut sich bester Gesundheit! Nachteil: Ich kann hier aus urheberrechtlichen Gründen nicht einfach Noten und Akkorde veröffentlichen. Eine beherzte Suche im Netz hilft jedoch. Auch ist das Stück schnell „herausgehört“. Mit erster, vierter und fünfter Stufe könnt ihr das Lied gut begleiten. Im Refrain findet sich ein Mollakkord auf der dritten Stufe. In D-Dur wäre das also D – G – A und h.
„The Fields of Athenry“ ist ein Lied über Armut und Ungerechtigkeit. Es erzählt von Unterdrückung, Liebe und Sehnsucht. Seine Melodie drückt Schmerz, Stolz und Hoffnung gleichzeitig aus. Großes Kino – große Kunst! Well done, Mr. Pete St. John!