Der Gitarre? Wo sind die Komponistinnen?

„Frau und Musik“ – klingt das nicht irgendwie bemüht nach Gendersprache und Emma? Weit gefehlt. War auch eine rhetorische Frage 😉

„Ich habe riesigen Respekt vor den Frauen, die früher unter schwierigsten Bedingungen für Gitarre und andere Instrumente komponiert haben“, sagt Heike Matthiesen im gitarre.blog Podcast Interview.

Soziologie statt fehlendes Talent

Tatsächlich sind die Bedingungen, unter denen Frauen komponieren konnten bis in die jüngere Zeit mehr als schwierig gewesen. Man muss nur daran denken, dass bis in die 50er Jahre der Ehemann sein Einverständnis zur Berufstätigkeit seiner Frau geben musste. Ein Bankkonto eröffnen, wählen dürfen … alles keine Selbstverständlichkeiten.

Komponierende Frauen wurden also zunächst über Kinder, Küche und Kirche wahrgenommen. Und wenn jemand doch die künstlerische Selbstverwirklichung gesucht hat, waren es die Verlage, die sich größeren Werken von Frauen verweigert haben. „Frauen haben dann oft für ein kleineres Publikum in ihrem Umfeld komponiert“, sagt Heike Matthiesen. Große Werke hätten auf dem Markt keine Chance gehabt. Sinnbildlich für eine solche Karriere steht Catharina Josepha Pratten (1821 – 1895), einst als Gitarrenwunderkind gehandelt und dann in England mit einem Flötisten verheiratet. Zwar war sie Gitarrenlehrerin am königlichen Hof, veröffentlicht hat sie ihre Werke jedoch mit Verwendung des Namen ihres Mannes unter „Madame Sidney Pratten“.

Archiv Frau und Musik

Das Frankfurter Archiv „Frau und Musik“ thematisiert diese geschichtlichen Umstände, greift aber auch Geschlechterunterschiede im heutigen Musikbetrieb auf. Heike Matthiesen meint zwar im Interview: „Wir leben in einer extrem spannenden Zeit. Jeder und jede kann im Internet selbst veröffentlichen“. Dass es dennoch Gesprächsbedarf gibt, zeigen beispielsweise Konferenzen mit dem Titel: „Diversity in Music – Komponistinnen und Dirigentinnen heute“.

Das Frankfurter Archiv ist weltweit das größte und wohl auch bedeutendste Archiv dieser Art. Es beherbergt 26000 Medieneinheiten von 1900 Komponistinnen und Dirigentinnen aus 52 Nationen.

https://www.archiv-frau-musik.de/

Guitar Lady: Heike Matthiesen

Die Gitarristin ist eher durch einen Zufall auf dieses Thema gestoßen. „Ich hatte eine Anfrage durch einen Veranstalter … und dann habe ich angefangen zu recherchieren.“ 2016 ist ihr Album „Guitar Ladies“ erschienen. „Als ich angefangen habe mich für dieses Thema zu interessieren, war noch gar nicht absehbar, wie groß die Diskussion werden würde“ sagt sie.

https://heikematthiesen.com

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saitenzauber
saitenzauber

Die interessanteste Stellen im Interview sind die Gedanken darum, warum es keine ganz grossen werke von Komponistinnen gibt. Gute Sache das Archiv!