Danke, ich höre selbst! Heraushören von Akkorden

Selbermachen ist „in“. Es gibt Menschen, die brauen ihr Bier selbst, produzieren Joghurt oder Seife oder haben einen zweiten Wohnsitz im Baumarkt ihres Herzens. Und der Gitarrist, der ein Lied spielen will? Googelt häufig lediglich nach den Akkorden, anstatt sein Gehör zu bemühen.

Dabei läge das „selbst Heraushören“ von Griffen für ein Lied sehr nahe. Auch Musik spielen hat schließlich mit Hören zu tun. Die Griffwechsel, das Tongeschlecht und die Harmonien zu hören macht unvergleichlich freier, als am Ausdruck eines aus dem Netz gezogenen Blattes zu kleben.

Wie funktioniert also das Heraushören von Akkorden und Griffen? Welche Tipps gibt es?

1. Das Finden der Tonart

Zunächst versuchst Du die Tonart des Stückes herauszufinden. Ein guter Tipp ist, die Basstöne, die Du hörst auf der Gitarre mitzuspielen oder mitzusingen. Häufig spielen Bassisten den Grundton eines Akkordes oder „darum herum“. Auch die Melodie des Liedes ungefähr mitzuspielen oder darüber zu improvisieren kann ein sehr guter Anhaltspunkt für die Tonart sein. Weißt Du, welche Vorzeichen verwendet werden, kannst Du über den Quintenzirkel feststellen, welche Tonart infrage kommt.

Manchmal ist es auch hilfreich, einen Kapodaster zu verwenden. „Nudelst“ Du bei der Melodie im 2. und 4. Bund herum, versuche es mit dem Kapo im 1. Bund.

2. Das harmonische Material sichten

In den Beiträgen zur Harmonielehre ging es um die Hauptakkorde eines Stückes. In Dur und der Stufentheorie waren das die erste, vierte und fünfte Stufe mit der sechsten Stufe als Moll-Akkord. Mit der Funktionsbezeichnung ausgedrückt Tonika, Dominante und Subdominante mit Tonikaparallele.
Dieses Wissen kann Dir nun sehr helfen! Bist Du beispielsweise in C-Dur ist es selten, dass Du mit H, Fis oder g-moll herumprobieren musst. Seltene Ausnahmen bestätigen zwar die Regel .. aber häufig genügen für das Grundgerüst die vier Hauptakkorde

3. Die Struktur des Stückes verstehen

Wichtiger als Du vielleicht im ersten Augenblick denkst, ist die Struktur des Stückes. Manchmal wird fast durch das ganze Stück die gleiche Harmoniefolge verwendet (z.B. Memories von Maroon 5 oder Shape of You von Ed Sheeran), manchmal ist der Aufbau mit Strophe und Refrain eher klassisch und manchmal ist mit einem Intro oder eine Pre Chorus weitere Elemente eingebaut. Klug ist es, dies beim Heraushören der Griffe zu berücksichtigen und zunächst beispielsweise nur den Refrain zu bearbeiten.

4. Tools verwenden

Es gibt einige Software-Tools für Mobil oder Desktopgeräte, die die das Tempo verlangsamen, aber die Tonhöhe nicht verändern. Das kann natürlich eine große Hilfe sein. Bei einigen Programmen kannst Du auch bestimmte Stellen des Stückes markieren und sich in Schleife wiederholen lassen. Für den Mac und iOs hat sich Anytunes (https://anytune.us) zum Quasi-Standard entwickelt. Versionen von Android und Windows sind in Planung. Ich bin mir aber sicher, dass es auch in der Windows-Welt bereits entsprechende Software gibt.

5. Ein Beispiel

Passenger hat einen Song geschrieben, an dem ich die Vorgehensweise gut erläutern kann. „Home“ ist einer seiner neuesten Stücke und beginnt mit deutlich hörbaren Akkordfolge, die sich in der Strophe wiederholt.


[Dies ist eine Video-Vorschau. Bei Click werden Daten an YouTube / Google übertragen.]

Nun das Kniffligste bei diesem Stück gleich am Anfang: Welche Tonart? Das Herumspielen mit Tönen zeigt, dass bei Es-Dur schon vieles richtig ist. Es-Dur? Eine Tonart mit B, Es und As als Vorzeichen? Geht das nicht einfacher? Die Erlösung naht mit einem Kapo im 3. Bund! Dann sind wir in C-Dur und können völlig Vorzeichenfrei über die Melodie improvisieren. (Gerne jetzt Gitarre nehmen und selbst ausprobieren).

Die Hauptakkorde in C-Dur: C, G, F und a-moll. Mit der ersten Stufe anzufangen ist oft eine gute Idee. Die 5. Stufe erkennt das geschulte Ohr durch den „Quintabstand“ .. das ungeschulte Ohr probiert einfach aus, ob F oder G besser passt 😉
In der zweiten Zeile der Strophe hörst Du einen anderen Akkordcharakter. Versuche also a-moll, dann wieder G und zum Schluss eines Spannungsbogen gerne wieder die erste Stufe.

Das sieht dann also so aus:

C G C
They say home is where the heart is
Am G C
but my heart is wild and free

Das wiederholt sich erstmal. Im weiteren Verlauf des Songs kommt noch ein Akkord hinzu. Mit dem fehlenden Hauptakkord (F-Dur) kannst Du das restliche Stück bestreiten.

Du hast Lust auf „Gitarren-Do-It-Yourself“ bekommen? Na dann los! Ich bin gespannt auf Deine Erfahrungen!

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3 Kommentare zum Beitrag ...
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Frederik
Frederik

Gibt es Stücke, die Du für das Üben empfehlen kannst?

Marco
Marco

Zu: Danke, ich höre selbst! Heraushören von Akkorden
am besten ist aus meiner Erfahrung, wie schon oben erwähnt wurde, dass man ein Basis Wissen im Bereich der Harmonielehre: Tonleiter, Akkordaufbau, Terzschichtung und Stufenakkorde, Kadenzen usw. sich aneignet.
Durch zum Beispiel das Wissen der Stufenakkorde in den verschiedenen Tonarten und deren Kadenzen findet man ziemlich schnell mit etwas Übungen die passenden Akkordfolge des Songs. Wenn du mal ein paar Stücke nachspielen kannst, merkst du, dass die gängigsten Songs eine ähnliche Songstruktur, Kadenzen und Akkordfolge haben.