Songstory: Reinhard Mey – Über den Wolken

„Ich brauche kein Flugzeug. Das Lied genügt mir für ein paar Minuten Schwerelosigkeit!“ So poetisch können YouTube-Kommentare über das Lied „Über den Wolken“ sein. Und doch ist Reinhard Mey gleich in mehrfacher Hinsicht aus allen Klischees gefallen. Hier die Songstory!

Reinhard Mey – Leben und Politik

Was für ein Leben! Reinhard Mey ist Deutschlands bekanntester Liedermacher, ist bei Musikerkollegen geschätzt und beliebt und hat mit „Über den Wolken“ einen schulbuchfähigen Evergreen geschrieben. Er engagiert sich beständig für Stiftungen, rebellierte gegen die Wehrpflicht und wurde bereits 1991 mit dem Echo für sein Lebenswerk geehrt. Und das alles erreicht mit einer Gitarre und Liedern mit meist deutschen Texten. Wie macht man das?

„Es gab keine kometenhafte Aufstiege und auch keine Abstürze. Keine gebrochenen Herzen und keine demolierten Hotelzimmer.“, schreibt er im Vorwort seiner Biografie. Und in einem Interview mit der AKUSTIK GITARRE sagt er: „Wenn es eine Lehre gibt, dann die: niemals versuchen, den Menschen nach dem Mund zu reden. Du musst einfach tun, was dein Herz dir sagt.“

Das war nicht immer konfliktfrei. Als die „Singer- Songwriter“ noch „Liedermacher“ hießen gehörte eine politische Aussage in Liedern zum guten Ton. Klugscheißen mit Weltverbesserungsanspruch war zuweilen Mindestanspruch. Auf Burg Waldeck im Hunsrück erreichte er zwar in den ersten Jahren erstmals ein größeres Publikum, wurde aber bei seiner letzten Teilnahme 1968 heftig wegen seiner „unpolitischen Lieder“ verspottet und ausgepfiffen.

Wenn man im Netz nach Reinhardt Mey sucht, findet man viele Texte zu Jubiläen. Zum 60. und 70. Geburtstag, zum 50. Bühnenjubiläum und ab 21. Dezember 2022 wohl auch zum 80. Geburtstag. Unglaublich, wie kreativ, produktiv und lebensbejahend Mey an der Schwelle zum neunten Lebensjahrzehnt wirkt.


[Dies ist eine Video-Vorschau. Bei Click werden Daten an YouTube / Google übertragen.]

Der Text von Über den Wolken

Wie wenig das Etikett „Unpolitisch“ tatsächlich auf Reinhard Mey passt, zeigen viele seiner im Laufe der Jahre entstandenen Lieder. Auch die Wirkung, die „Über den Wolken“ von den Kulturverantwortlichen der DDR in deren letzten Tagen zugeschrieben wurde, spricht für die politische Wirkung des Unkonkreten. Lieder, in deren Text „Freiheit“ vorkommt, waren gefährlich. Auch, wenn diese Freiheit in den Himmel verlegt wird. Die in der DDR aufgewachsene Schauspielerin Katrin Sass outet sich als Reinhard Mey – Fan und sagt: „Also, wenn Reinhard Mey dieses Lied sang, .. ich hatte dann immer ein Gefühl von Freiheit, egal, wo man landet, es ist immer die Freiheit. Also, wegzufliegen. Ganz instinktiv. Im Solarplexus sozusagen kribbelte es immer.“

Vielen ist „Über den Wolken“ über die Jahre wie ein guter alter Bekannter geworden. Vielleicht auch deshalb, weil es dem Lied nicht an großen Worten fehlt, die irgendwie in alle Lebensphasen passen: Freiheit, Angst, Sorge und …. Luftaufsichtbaracke. Reinhard Mey, schreibt Hilmar Klute in der Süddeutschen Zeitung sei ein „Poet des Alltäglichen“. Stimmt auch. Denn neben den großen Worten beschreibt Mey die kleinen Dinge genau und mit Hingabe: Wolken, Lichter und ein schillernder Regenbogen in der Pfütze.

Das Lied spielen

„Ich hatte Lust was zu verschenken!“, sagt Reinhardt Mey und stellt Texte und Noten zu über 200 Liedern kostenlos ins Netz. „Über den Wolken“ ist jedoch nicht dabei. „Ich habe die Gitarre immer als Begleitinstrument gesehen. Zum Virtuosen fehlte mir der Ehrgeiz!“ Was er hier über sich selbst sagt, hat durchaus Vorteile! Denn schwer zu spielen ist das Lied nicht.

In der rechten Hand genügt ein „normales Folkpicking“ mit Wechselbass. Eine etwas komplexere Form wird hier erklärt: https://youtu.be/BbhK3aaLxzg

Harmonisch ist die einfachste Form mit der Akkordfolge G – a – D – G beschrieben. Das kann sich über das ganze Stück mit Ausnahme des Refrains wiederholen. Dort dann über „Würde was uns ..“ ein C-Dur.

Und wenn es mit dem Spielen doch nicht auf Anhieb klappen sollte, tröstet euch vielleicht ein weiterer YouTube-Kommentar.

„Leute, es ist 4:36 Uhr bei mir. Ich arbeite gerade an Dingen für die Schule. Habe mega-Stress. Das Wetter ist kacke. Ich bin müde. Möchte schlafen, kann nicht. Dann las ich doch tatsächlich „Über den Wolken“ und dann fiel mir ein: Es gibt da ein wunderschönes Lied.“

Homepage: Reinhard Mey

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Mulde Ralf
Mulde Ralf

Von Musik verstehe ich nichts. Was ich sagen kann: Der Text ist großartig. Das Wort „Luftaufsichtbaracke“ in romantischer Lyrik zu verwenden, ist wohl einzigartig.