Noch vor einigen Jahren war klassische Gitarre meist eine todernste Angelegenheit. Wenn der Gitarrist seine Stücke im Konzert angesagt hat, schwang im Hintergrund die Frage mit: Hätte Bach das auch so gesagt? Hätte er das wirklich gewollt? Ein lockeres Späßchen im Konzert? Frevel! Irgendetwas „unernstes“ in der ernsten Musik? Unpassend!
Vorbei! Der klassische Gitarrist – oder in unserem Fall die Gitarristin – sind deutlich smarter. Wie bei anderen Instrumentalisten auch, präsentieren sich Gitarristen häufig als „Gesamtkunstwerk“ auf allen sozialen Kanälen. Besonders geschickt gelingt dies Tatyana Ryzhkova. Die 1986 in Weißrussland geborene klassische Gitarristin hat über 21 000 Facebook – Follower und verzeichnet über acht Millionen YouTube – Clicks. Ryzhkova spricht auf YouTube gerne über das richtige Präparieren von Fingernägeln oder über die Wahl der richtigen Saiten. Auf Patreon zeigt sie exklusive Clips von Konzerten und ist immer wieder „virtuos, sympathisch und wunderschön“. (Zitat ihrer Homepage)
Nicht, dass ich mir die verstaubten alten Zeiten zurücksehne – aber bei all dem Budenzauber verschwindet fast ein wenig, was Tatyana Ryzhkova vor allem ist: Eine hervorragende Musikerin!
Auf ihrer aktuellen CD – ihrer dritten – „Dreams of a Russian Summer“ interpretiert sie beispielsweise Jorge Cardosos „Milonga“ einfühlsam und mit sicherem Gefühl für die schwebende süß melancholische Stimmung. Leo Brouwers „Un Dia de Novembre“ spielt sie mit schöner Tongebung und phänomenaler agogischer Interpretation. Tatyana Ryzhkova musiziert vielseitig und mit eindrucksvoller Technik auch bei den anderen Stücken der CD. Das namensgebende Stück “Dream of a Russian Summer” ist eine Komposition von William Lovelady, die er Tatyana Ryzhkova gewidmet hat.
Hier das YouTube – Video von „Milonga“. Etwas weniger Sonnenuntergang hätte es jedoch auch getan. 😉
Homepage: http://www.tatyana-guitar.com