Der Mann hatte ausreichend Fans und Neider! Vielleicht war beides unvermeidbar, denn schließlich war er der berühmteste Lautenist der Barockzeit: Silvius Leopold Weiss. Die Fankurve für Weiss war durchaus gut gefüllt. Unter anderem schrieb die Schwester Friedrich II., Wilhelmine von Bayreuth in ihrem Tagebuch: „.. der berühmte Weiss, der auf der Laute so hervorragend ist, dass ihm keiner gleichkommt und das denjenigen, die nach ihm kommen, lediglich die Ehre bleibt, ihn nachzuahmen“.
Das kann man heute ungefähr mit „Lautengott“ übersetzen. Der sächsische Hofdichter ersann die Zeile „Es soll nur Silvius die Laute spielen!“ Keine Medaille ohne Kehrseite. Der Hochgelobte löste auch gegenteilige Emotionen aus. Der französische Violinist Petit versuchte Silvius Leopold Weiß im Streit die Daumenspitze abzubeißen. Erfreulich, dass dieses Ansinnen misslang!
Leben und barocke Jamsession
Silvius Leopold Weiss wurde 1687 in Schlesien geboren. Das Lautenspiel erlernte er schon früh von seinem Vater. Wie üblich, verdiente man damals als Musiker bei Hofe sein Auskommen. Seine erste Anstellung fand er in Breslau als Lautenist bei Karl Philipp von Pfalz-Neuburg, dann bei dessen Bruder dem Kurfürsten Johann Wilhelm. Über Düsseldorf, Mannheim, Rom, Innsbruck schließlich dann an den kurfürstlich-sächsischen Hof Augusts des Starken in Dresden. Im August 1718 wurde er als königlicher Kammerlautenist angestellt und gehörte seitdem zu den bestbezahlten Musikern am Hof in Dresden. Eine noch besser bezahlte Anstellung in Wien schlug er aus und blieb bis zu seinem Lebensende 1750 in Dresden. 1750? Das Todesjahr von Johann Sebastian Bach ist ein musikgeschichtlicher Fixpunkt.
Tatsächlich haben sich Bach und Weiss getroffen und waren, soweit man das heute noch beurteilen kann, befreundet. Belegt sind Begegnungen in den Jahren 1739 und 1740. Wahrscheinlich kannten sich die beiden aber auch aus anderen Zusammentreffen. Von J.F. Reichardt wird berichtet, dass Weiss und Bach bei einem Treffen in einen Improvisationswettstreit eingetreten sind. Eine barocke Jamsession? Ernsthaft mit Bach um die Wette improvisieren? „Wer die Schwierigkeit der Laute für harmonische Ausweichungen und gut ausgeführte Sätze kennt, der muss erstaunen und es kaum glauben, wenn Augen- und Ohrenzeugen versichern, dass der große Dresdner Lautenist Weisse mit Sebastian Bach, der auch als Klavier- und Orgelspieler groß war, in die Wette phantasiert und Fugensätze ausgeführt hat.“ schreibt Reichardt.
Komposition und Virtuosität
Die Kompositionsstile von Weiss, wie auch von Bach, sind stark von barocker Formgebung und französischen und italienischen Einflüssen geprägt. Improvisatorisch anmutende Fantasien, Fugen, Tänze in Suiten zusammengebunden waren das Metier des Lautenmeisters. „Er ist der Erste gewesen, welcher gezeigte, dass man mehr könnte auf der Lauten machen, als man Sonaten nicht geglaubet“ schrieb sein Schüler Ernst Gottlieb Baron. Mit seiner kompositorischen Begabung und seiner Fähigkeit seine Kompositionen selbst virtuos vorzutragen hat Silvius Leopold Weiß die Lautenmusik in dieser Zeit auf ein neues Niveau gehoben. 650 Kompositionen hat S.L. Weiss handschriftlich hinterlassen.
Diese waren allerdings, wohl aus Angst „Betriebsgeheimnisse“ preiszugeben, von Weiss selbst so gut gehütet, dass sie zunächst kaum mehr beachtet wurden. Erst der Lautenist Hans Neemann und andere gaben im 20. Jahrhundert durch ihre Nachforschungen den Anstoß für das neue Interesse an Lautenkompositionen von Weiss.
Fantasie in d-moll
In einem seiner bekanntesten Stücke, einer Fantasie aus der Suite in d-Moll spiegelt sich viel von oben Geschriebenem wider. Das Stück beginnt mit einer Art Präludium in frei gespielten Tempo. Arpeggierte Akkorde werden kunstvoll miteinander verbunden, bis das Stück in einem fugenhaft gestaltetem Melodieteil mündet. Melodien tauchen in unterschiedlichen Stimmen auf, werden variiert und schließlich zu einem vollen, mächtigen Abschluss gebracht. Man kann nachvollziehen, was der Bayerische Rundfunk in einem Beitrag geschrieben hat: „Mit Silvius Leopold Weiss ging das große Zeitalter der Laute zu Ende.“
„Stichwort“ im Bayerischen Rundfunk: https://www.br-klassik.de/themen/klassik-entdecken/alte-musik/stichwort-silvius-leopold-weiss100.html
Homepage: https://slweiss.de
Ankündigung: Derzeit arbeite ich an einer Ausgabe der Fantasie als PDF und GuitarPro hier zum kostenlosen Download. Mal wieder hier vorbeischauen oder sich in die Mailingliste eintragen!