Liebe Leser von gitarre.blog,
beim Auschecken und Spielen des uralten Standards „It Ain’t Necessarily So“ des genialen George Gershwin bin ich (mal wieder) auf eine technische Anforderung an die Gitarrist:in gestoßen, die meiner Meinung nach gar nicht so einfach zu bewältigen ist.
Wie aus obigem Auszug des Sheets ersichtlich setzt Gershwin in dieser Komposition sehr viele Viertel-Triolen ein. Nun entsteht bei Viertel-Triolen immer ein Rhythmusverhältnis 2:3, da ja drei Schläge über die Dauer von zwei Zählzeiten gleichmäßig verteilt werden.
Die traditionelle Vorgabe für das Folkpicking bzw. den Fingerstyle ist es, dass wir prinzipiell die Viertelnoten mit dem Daumen auf jede Viertel-Zählzeit spielen wollen. Das ergibt die in Erz gegossene (bisweilen natürlich etwas statische) aus dem Ragtime entliehene Charakteristik dieser Spielweise. Was am Klavier eventuell eine Fingerübung für die Einsteiger:in ist, wächst auf der Gitarre zu einem größeren Problem, da wir hier die „Polyrhythmik“ mit einer Hand, der Zupfhand, umsetzen müssen. Um die Problematik zu visualisieren, muss ich etwas höher auflösen, und zwar auf die Ebene von Achtel-Triolen:
Die etwas umständliche Schreibweise über den Umweg der gebundenen Achtel in den Achtel-Triolen ist notwendig, um die Problematik zu visualisieren und auch, um ein solches Fingerstyle-Arrangement überhaupt einstimmig notieren bzw. eingeben zu können, zum Beispiel in Guitar Pro. Das sieht dann aus wie folgt:
Nach dem Akt der Notation müssen wir nun nur noch (haha!) lernen, wie man solche Viertel-Triolen über einen Viertel-(Wechsel-)Bass auf der Gitarre spielt. Um ein Gefühl für die Rhythmik 2 gegen 3 zu bekommen, kann man dies mit den Händen allein auf der Tischplatte oder mit Händen und Füßen üben, bevor man sich an die Gitarre setzt.
Es ist ein bisschen wie ternäre Achtel beim Swing oder Blues spielen – man kann sie messen, ausrechnen oder sich vom Metronom vorspielen lassen. Am Ende spielt man sie aus dem Gefühl. Und das haben manche Menschen intuitiv oder sie müssen sich es mühsam antrainieren. Ich gehöre zu letzterer Gattung.
Angelehnt an die „Pyramide“ im Buch „Die Rhythmik-Lehre“ von Eddie Marron habe ich eine kleine Picking- bzw. Fingerstyle-Übung geschrieben. Hierbei kümmern wir uns ausschließlich um unsere Zupf-, nicht um die Greifhand. Über die ganzen 32 Takte greifen wir den allseits beliebten A-Moll.
Dass der Daumen nicht nur zwischen A- und E-Saite wechselt, sondern auf jedes zweite Viertel die D-Saite bringt, ist dem geschuldet, dass es mir persönlich leichter fällt, den ersten Wechsel nach unten, also zur nächsten (dünneren) Saite, auszuführen. Ihr dürft das für Eure eigenen Übungen gerne ändern.
Versucht, Eure Aufmerksamkeit abwechselnd auf die Viertelnoten und dann wieder auf die jeweilige Figur in der oberen Stimme, welche ja für sich gesehen (bis auf die ersten zwei Takte) ein eigenes Tempo bildet. Beide Stimmen sollten so gleichmäßig wie möglich laufen. Für diese Übung ist die Zuhilfenahme eines Metronoms anzuraten.
Nun denn, wenn Ihr diese 32 Takte mehrfach ordentlich spielen könnt, solltet Ihr mit dem Picking verschiedener Notenwerte oder Triolen über einen Viertel-Bass keine Schwierigkeiten mehr haben.
Gige Brunner
Gige (Gerhard Brunner) ist Fingerstyle-Jazzer mit ausgeprägtem Hang zur Harmonielehre. Er schreibt Bücher, arrangiert Musik und ist auf vielen Bühnen unterwegs.