Jahrmarkt, Gitarrenzirkus, Künstlertreffen? Die Gitarrenfamilie traf sich an einem September- Wochenende in Mannheim.
Das Event
So ein Gitarrengipfel ist nichts für sensible Gitarrist:innen, die ein Leben lang mit einer Gitarre „verheiratet“ sind, mit ihrem unverstärktem Klang zufrieden sind und Konzerten am liebsten in andächtiger Stille lauschen. Der Guitar Summit ist laut, an jeder Ecke ruft es „Kauf mich!“ und konzertierende Musiker müssen sich die Aufmerksamkeit des Laufpublikums redlich erspielen.
Aber der Gipfel ist auch eine perfekte Gelegenheit interessante Menschen zu treffen, zu plaudern, sich über Neuigkeiten auf dem Markt zu informieren und sich noch einmal zu vergewissern: Die Gitarre ist das tollste Instrument im Universum!
Aussteller und Trends
Gefühlt unendlich viele Aussteller haben den Weg in den Mannheimer Rosengarten gefunden. Auch wenn man die Aussteller aus der Elektrik-Abteilung kurz beiseite lässt, gibt es eine erstaunliche Vielfalt an Instrumenten. Gitarren in allen Größen, Flamenco, Klassisch, Steelstring, mit und ohne Pickup ..
Offenbar gibt es genügend Menschen, die es zu relativen Reichtum gebracht haben und bereit sind in ihr Hobby Gitarrenspiel zu investieren. Erstaunlich auch, wie viele Gitarrenhersteller sich der „kleinen Schwester“, der Ukulele widmen. Auch hier: verschiedene Tonlagen, Metalliclackierung, Signaturemodelle …
Schön natürlich, aus so einem Angebot sein „Schätzchen“ suchen zu dürfen. Das Anspielen des angebeteten Instrumentes macht jedoch nur in Bezug auf die Spielbarkeit Sinn. Für den „Hörtest“ muss man sich dann schon später eine etwas ruhigere Umgebung suchen.
Ein ausgewählter Rundgang: Next Generation überall!
Für den Akustikbereich möchte ich zwei besondere Neuigkeiten aus dem Ausstelleruniversum herausgreifen. Baton Rouge Guitars stellt mit einem Alexandr Misko Modell eine Gitarre mit Fächerbundierung vor. Fächerbundierungen ermöglichen eine saitenabhängige Mensur. Die frei schwingende Saitenlänge ist bei den tiefen Saiten länger. Dadurch soll ein verbesserter Klang bei gleichzeitig guter Spielbarkeit erreicht werden. Und ehrlich: So schräge Bünde sind einfach auch ein Hingucker! Tatsächlich findet man sich auf dem Griffbrett erstaunlich schnell zurecht. Zweifel, dass man die jahrelang gepflegte Setlist an Vortragsstücken plötzlich nicht mehr spielen kann, sind unbegründet. Optimierungsbedarf der Spieltechnik besteht aber sicherlich.
Gitarren mit Fächerbundierungen (Fanned Frets) sind zwar nicht neu, aber Baton Rouge bietet das Teil mit 1350 Euro für einen attraktiven Preis an. Außerdem gibt es allerhand zusätzlich mögliche Gimmicks, die unter anderem Töne fixieren und so ein Umstimmen während des Stückes ermöglichen.
„Next Generation“ ist der Werbespruch, den sowohl Baton Rouge als auch AER für seinen neuen Verstärker ersonnen hat. Als Angehöriger der „Vintage Generation“ muss ich das nicht mögen ;). Wobei ich über die Innovation des neuen AMP des Herstellers aus dem Ruhrgebiet wirklich erstaunt war. Sehr verkürzt dargestellt: AER goes digital! Softwarebasiert werden gängige Effekte wie EQ, Reverb und Chorus individuell in den Verstärker transportiert und können auf verschiedenen Speicherplätzen abgelegt werden. Eine Basisvoreinstellung für die eigene Nylonstring, die Ukulele und die Steelstring sind also machbar und per einzelnem Drehregler weit schneller abgerufen als man umstöpseln kann.
AER hat mit dem Compact 60 vor etwa 30 Jahren einen klanglichen Standart gesetzt. Die Chancen sind gut, dass das mit dem neuen „Next Generation“ wieder gelingen kann, denn auch bei den anderen Komponenten hat sich AER nicht lumpen lassen. Die Präsentation mit Jaques Stotzem an der Gitarre war jedenfalls äußerst beeindruckend.
Der Verkaufsstart des Edelteils steht bisher nicht fest, wir aber so ungefähr mit „im Sommer 24“ angegeben. Auch der Preis ist noch offen.
Die Konzerte: Friday Night in Mannheim!
Eignet sich eine Messe wirklich für Konzerte? Eher so mittel. Auf den Bühnen wurde ein Kopfhörersystem eingesetzt. Das hat den großen Vorteil, dass der Künstler nicht mit jemandem lautstärkemäßig konkurrieren muss, der am Stand nebenan auf einer 4000 Euro Gitarre „Blowing in the wind“ übt. Andererseits eignet sich die Bluetoothübertragung kaum für eine Präsentation der Klangeigenschaften einer Gitarre. Und wirkliches „Konzertfeeling“ kommt auf den Bühnen des Ausstellungsgeländes naturgemäß nicht auf.
Im großen Saal war das etwas anders. Die Höhepunkte aus akustischer Sicht waren am Freitagabend Al di Meola und Josho Stephan. Letzterem ist es während einer knappen Stunde gelungen, einen mäßig gefüllten Saal in ein begeistert jubelndes gefülltes Auditorium zu verwandeln. Ein großes Kunststück mit toller Musik!
Es ist, was es ist!
War das nun drei Tage lang Jahrmarkt, Gitarrenzirkus oder Künstlertreffen? Wohl etwas von allem, aber insgesamt ein inspirierendes und wichtiges Ereignis für die Gitarrenszene. Na dann: Bis zum nächsten Jahr!