Wenige Songwriter haben sich so in unser kollektives Musikgedächtnis eingebrannt wie Neil Young. In diesen Wochen macht der 72-jährige gleich mit zwei neuen Alben auf sich aufmerksam.
Neil Young hatte Zeiten, in denen er häufig so aussah, als ob im letzten Joint irgendetwas schlechtes drin war. Und singen .. nun ja. Die brüchige Stimme häufig bis zum Anschlag in die Höhe getrieben, oft leicht „out of tune“. Und dennoch – oder gerade deswegen – ist Neil Young ein Künstler, der zu Lebzeiten schon locker als „Legende“ durchgeht.
Am 12. November ist Neil Young 72 Jahre alt geworden. Ein Biographie hat er schon geschrieben. Gut, dass er jetzt einfach wieder mit Alben weitermacht!
Hitchhiker
Im September erschien „Hitchhiker“, ein bereits 1976 in den Indigo Ranch Studios in Malibu aufgenommenes „verlorenes“ Album. Neun Songs mit Stimme, Gitarre, Mundharmonika und einmal etwas Klavier. Gerüchte sagen, das Album wurde in einem Stück in einer Vollmondnacht aufgenommen. Das ist glaubwürdig – es klingt so! Da wir die Gitarre kräftig gestrummt, die Stimme gequetscht und der Mix ist „rauh“.
In den Texten treffen sich illustre Gestalten. Pocahontas, Captain Kennedy, der gegen die Deutschen gekämpft hat und Richard Nixon. Filigrane Gitarrenarbeit findet man nicht auf der Scheibe. Das Album ist jedoch weit mehr als ein biographisches Zeitzeugnis für´s Regal. Die Songs zeigen ein großes Gefühl für Melodie, sind stilsicher interpretiert und atmen das Gefühl früherer Young-Alben.
„Naturbelassen“ hat die Zeitschrift Akustik Gitarre diese Aufnahmen bezeichnet. Naturtrüber Apfelsaft statt Red Bull? Stimmt irgendwie .. verleiht aber trotzdem Flügel.
Promise of The Real – The Visitor
Vor wenigen Tagen ist nun auch „The Visitor“ erschienen. Wandlungsfähig war Neil Young ja schon immer. In den frühen 80ern war ich, die Akustik Songs im Ohr, bei einem Young Konzert, das eine exorbitante E-Gitarren Orgie war. So wüst wird es auf „The Visitor“ nicht getrieben. Auf eine Scheibe passt da viel Unterschiedliches. Neil Young ist eine sehr abwechslungsreiche Produktion gelungen.
Gibt es Parallelen zwischen den Aufnahmen aus den Jahren 1976 und 2017? Nun, der Präsident heißt nicht mehr Nixon sondern Trump. Immer noch ist es wohltuend, dass es politische Texte ohne plumpe Agitation, aber mit eindeutiger Aussage gibt. „Already Great“ beschreibt die Dummheit der derzeitigen amerikanischen Regierung und lässt mit der Textzeile „No wall, no hate, no fascist USA“ keine Zweifel am Standpunkt aufkommen.
Musikalisch finden sich – vielleicht ein Ergebnis einer langen musikalischen Lebensreise – Garagenblues, melancholische Folkballaden und zornige E-Gitarren-Riffs friedlich vereint.
Beide Alben sind sehr hörenswert. Hier ist ein großer Musiker mit engagierten Texten am Werk! Keep on rockin, Neil! Mein heißer Tipp für den nächsten Literaturnobelpreis!
Linktipps:
Interview mit Neil Young im Spiegel
Mitschnitt des Konzertes in Facebook: https://www.facebook.com/NeilYoung/videos/10159601154410317/