Die Sängerin Samira Saygili und der Gitarrist Peter Autschbach haben ein Album herausgebracht, das unter dem Titel „Sweeter Than Honey“ läuft. Doch der Titel ist gewissermaßen eine geplante Irreführung, denn was da im Dialog zwischen Stimme und Gitarre passiert, ist eher heißer als tausend Sonnen. Das trifft auch auf den titelgebenden Song zu, der keineswegs nur honigsüß dahinfließt. Ganz im Gegenteil…
Warm and cool
Der Einstieg in das Album beginnt zwar nicht mit einem Paukenschlag, dafür aber viel effektvoller per Glockenklang wie beim Start einer Zen-Meditation. Dieser Eindruck wird zunächst beibehalten durch einige Momente der Stille, mit denen der Erwartungspegel auf das Kommende in die Höhe gepowert wird. Und diese Erwartungen werden zunächst auch scheinbar erfüllt, als Samira Saygili mit vorsichtig angewärmter Stimme anfängt zu singen von den Küssen, die süßer als Honig sind. Dazu leicht phrasierend diese scheinbar unterkühlte Gitarre, lässig – quasi wippend – gespielt von Peter Autschbach. Das ist höchst geschmackvoll servierte gute Jazztradition und als Saygili ihre Stimme in ein Instrument verwandelt, klingt das zunächst wie eine kleine und sicherlich auch gewollte Verneigung vor der großen Ella Fitzgerald.
Höhenflug und Rückkehr
Wer sich jetzt eingerichtet hat auf einen angenehmen Liederabend im Jazzgewand, wo eine Sängerin von einem Gitarristen begleitet wird, hat sich tatsächlich in die Irre führen lassen. Schon sind Stimme und Gitarre abgekommen vom Pfad der Tugend, um springend, taumelnd, fliegend in freiere und heißere Gefilde zu starten. Dabei verwandelt Autschbach seine Gitarre in ein Triebwerk der Klänge für das Saygili den Treibstoff liefert. Oder umgekehrt? Schwer zu sagen, denn die Beiden agieren höchst filigran und verwoben miteinander und es besteht durchaus die Gefahr, erneut in die Irre geführt zu werden. Was dann auch passiert, denn kaum ist der Countdown zu den Höhenflügen absolviert, kommt die unerwartete Rückkehr zu den Kisses sweeter than honey. Wieder gelandet sozusagen…
Quintessenz und Understatement
Das ist auch die Quintessenz des Albums: Traditionen aufnehmen, unterhaltsam und geschmackvoll servieren um gleich zu zeigen, was sich aus ihnen an unerwarteten Abflügen entwickeln lassen würde. Die anschließende Rückkehr ist notwendig, denn wer will schon für immer im Space schweben. Aber starten möchte man wieder und darauf braucht man auch nicht lange warten, denn den Zauber neuer Höhenflüge kitzeln Saygili und Autschbach selbst aus guten alten Ellington-Stücken heraus. Fast nebenbei zeigt Autschbach dann auch noch, dass Jazz für seine Gitarre nicht alles ist, sondern dass sie auch aus dem weiten Feld der Klassik bunte Muster für weitere fantastische Klangreisen aufnehmen kann. Als man das als Hörer verstanden hat, kommt sie plötzlich im waschechten Blues-Picking-Style daher. Diese Herausforderung nimmt Saygili mit ihrer wandlungsfähigen Stimme gerne an.
Was Saygili und Autschbach mit diesem Album anbieten, ist gekonntes Understatement. Nichts wird übertreiben oder überspitzt, immer bleibt der Eindruck, dass da noch Platz ist für weitere Reisen. Kein Ende in Sicht sozusagen – und das macht den Spaß, den Genuss an diesem Album aus, zumal Understatement schon immer ein wesentlicher Aspekt von guten Jazz gewesen ist.
Homepage: https://www.saygili-autschbach.de/