Who was that girl?
Beginnen wir diesen Text mit einer schönen Frau. Sie läuft am Strand eines Künstlerviertels in Rio de Janeiro vorüber. „Ihren Körper hat die Sonne von Ipanema vergoldet. Ihr Gang ist vollendeter als ein Gedicht. Sie ist das Schönste, das ich je vorbeigehen sah!“
Soweit die Übersetzung des Welthits „Garota de Ipanema“ aus dem Portugiesischem. Als dann „Girl from Ipanema“ in englischer Sprache daraus geworden ist, wirkt die Übertragung fast plump. „… und wenn sie vorbeikommt, macht jeder, an dem sie vorbeikommt „Ah!“.
Die Wirklichkeit war jedoch noch schlimmer. Das Mädchen aus Ipanema hatte ein reales Vorbild. Der Texter Vinicius de Moraes und Tom Jobim haben Jahre nach dem Erscheinen des Songs preisgegeben, dass es sich im Heloisa Eneida Menezes Paes Pinto – kurz Helo – gehandelt hat. Sie wohnte in der Nachbarschaft und kam häufig an der bevorzugten Bar der beiden Musiker vorbei, „.. wo sie schon ziemlich bekannt war und regelmäßig hinkam, um Zigaretten für ihre Mutter zu kaufen – und von einem Pfeifkonzert begleitet wieder hinausging.“
Dadurch bekommt das „Vorbeigehen“ jedoch einen ganz anderen Sinn. Von einer jungen Frau, die nicht auf das übergriffige Machoverhalten von Barbesuchern eingehen wollte, ist im Liedtext eine etwas hochnäsige Schöne geworden, die das Lächeln ihres Verehrers ignoriert und einfach nicht sehen will.
Nachdem das Geheimnis der „Mädchens aus Ipanema“ gelüftet war, veränderte sich das Leben von Helo. Sie geriet in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, bekam eine Filmrolle angeboten, erschien in der brasilianischen Ausgabe des Playboy und geriet in einen Rechtsstreit mit den Erben von Jobim und Moraes über die Verwendung des Songtitels in ihrem Namen. Sie gehörte auch zu den Fackelläuferinnen zu den Olympischen Spielen in Rio.
Songgeschichte: Von Magie bis Kaufhaus
Eine Begegnung, ein Text und eine meisterhafte Komposition mit einer sehr inspirierten Akkordfolge machen das Stück aus. Es gehört zu den meistgespielten Songs weltweit, vergleichbar etwa mit „Yesterday“ von Paul McCartney. Mit diesem Song nahm die Bossa-Nova-Welle Fahrt auf. Bossa Nova? Ein Musikstil, der aus dem Samba kommt, aber deutlich Jazz-Elemente einbaut. Bossa Nova-Musiker begriffen ihren Stil als Weiterentwicklung: Cooler, urbaner und intellektueller.
Mit dem Erfolg des Songs kamen auch Coverversionen und spöttische Interpretationen. Wohl 200 Mal wäre das Stück von anderen Musikern interpretiert worden, behauptet die Deutsche Welle. In Wahrheit ist das wohl kaum feststellbar. Die bekanntesten Versionen stammen von Frank Sinatra, Ella Fitzgerald, Madonna oder Sammy Davis Jr.. Parodiert wurde das Stück unter anderem von Helge Schneider und Eva Kurowski mit dem Titel „Frau aus Castrop-Rauxel“.
Aus diesem wunderbarem, magischem Titel wäre im Laufe der Zeit Fahrstuhlmusik geworden, ist eine häufige Kritik. Tatsächlich ist im grandiosen Finale der „Blues Brothers“ der Song im Fahrstuhl zu hören. Die Version von Joao Gilberto ist ein mit sanfter Stimme und genialer Gitarrenbegleitung wunderbares Stück Musikgeschichte.
Tom Jobim und seine Freundschaften
Antonie Carlos Jobim verbrachte seine Kindheit in Ipanema. Schon früh lernte er als Kind Gitarre. Er begann ein Architekturstudium, das er aufgab, um mehr Zeit für die Musik zu haben. Für seinen Lebensunterhalt spielte in verschiedenen Nachtclubs. Die Freundschaft zum brasilianischen Dichter, Diplomaten und Sänger Vinicius de Moraes trug vielfältige, kreative Früchte. Joao Gilberto kam als Interpret mit rhythmischem Gitarrenspiel und einschmeichelndem Gesang hinzu. Die Kombination Jobim und Gilberto war die treibende Kraft hinter der Anfangszeit des Bossa Nova.
Schönheit des Lebens in verminderten Akkorden
Tom Jobim ist als Gitarrist und Komponist so etwas wie ein brasilianischer Nationalheld geworden. Der Flughafen in Rio wurde nach ihm benannt, das Maskottchen der Olympischen Spiele trug seinen Namen. Drei Tage Staatstrauer gab es in Brasilien, als Tom Jobim im Alter von nur 67 Jahren verstarb.
Eine solche Zuneigung und Ehrerbietung ist sicher nicht absichtsvoll herbeizuführen. Aber die Schönheit des Lebens mit verminderten Akkorden zu beschreiben, ein positives Lebensgefühl in Rhythmen auszudrücken und eingängige Melodien ohne Kitsch zu komponieren, hilft da bestimmt. Und ganz „nebenbei“ hat Tom Jobim mit seinem Musikstil dem Gitarrenspiel eine wunderbare neue Facette hinzugefügt.
Vielen Dank für die Inspiration, das Lied nehme ich auf die Liste zum Üben. Schöne Grüße von Arjen
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