Songstory: Jimi Hendrix – Hey Joe

Der Satz aus einer Plattenkritik im Magazin „Rolling Stone“ aus dem Jahr 1968 ist eine faszinierend-tragische Vorhersage. „Hendrix ist umwerfend, und ich hoffe, er ist als Erster auf dem Mond. Wenn er so weitermacht, schafft er das bestimmt.“ Hendrix war vieles – aber nie Mittelmaß. Er lebte ohne Rückfahrkarte. Er hat es im musikalischen Sinn auf den Mond geschafft, und im menschlichen Sinne ist er auf der Erde zerbrochen.

Podcastfolge:

Familie und Kindheit

John Allen Hendrix wurde am 27. November 1942 in ein rassistisches Land im Kriegszustand hineingeboren. Der Vater diente in der Armee der USA und erfuhr erst Monate später von der Geburt seines Sohnes. Nach seiner Rückkehr änderte er den Namen seines Sprösslings in James Marshall Hendrix.

Die Koordinaten des Familienlebens bewegten sich zwischen Alkohol, Armut, Streit, Gewalt, Trennung, Versöhnung und Liebe. Die Familie musste häufig umziehen, weil die Miete nicht bezahlt werden konnte. Lucille und Al, Hendrix´ Eltern, konnten zwar lange nicht voneinander lassen, waren aber ohneeinander ebenso wenig glücklich. Mit 33 Jahren starb Jimis Mutter. Ein Tod, der wohl bei rechtzeitiger Hilfe vermeidbar gewesen wäre. Wenig emphatisch nahm Al Jimi und seinen Bruder nicht zu Beisetzung mit. Sie sollten sich „wie Männer“ verhalten und bestätigte seine Forderung mit der Gabe von Whisky an seine Söhne. Der Verlust der Mutter war für Jimi wohl sein Leben lang eine offene Wunde.

Jimi ging erfolglos von der Schule ab und vermied eine Bestrafung wegen Autodiebstahls durch den Eintritt in die Army. Durch eine wilde Räuberpistole, der Vorgabe Homosexuell zu sein und „mangelhaften Charaktereigenschaften“ wurde er nach 13 Monaten gewollt und unehrenhaft entlassen. Seitdem machte Jimi das Gitarrenspielen zum Beruf. Es war ja ohnehin in Schule und Army seine Hauptbeschäftigung gewesen.

Jimi und die Gitarre

„Er spielte so heftig auf seinem Besen, dass der alle Borsten verlor!“, sagt eine Freundin über die Art, wie Jimi Luftgitarre auf einem Besen spielte. Er war angefixt von der Musik Muddy Waters, Robert Johnsons oder Lightnin Hopkins. Da er keine richtige Gitarre hatte, musste eben ein Besen herhalten, den er ständig umgeschnallt mit sich herumtrug. Seine erste „Gitarre“ – welch ein Fortschritt – hatte eine einzige Saite. Eine weitere Station war die erste akustische Gitarre, die sein Vater für fünf Dollar kaufte. „Jimi war fasziniert von Elektrik“ erinnert sich sein Bruder Leon. „Er nahm ein Radio auseinander und versuchte, es zum Verstärker für seine Gitarre umzubauen.“

Seine damalige Freundin Carmen Goudy beschreibt den Gemütszustand von Jimi Hendrix, nachdem sein Vater auf Raten eine elektrische „Supro Ozark“ für ihn gekauft hatte: „Ich glaube, das war der glücklichste Tag seines Lebens“.

Ob alle späteren Gitarren allerdings mit ihrem Besitzer glücklich wurden, ist sehr fraglich. Als Teil seiner späteren Bühnenshows zertrümmerte er seine Instrumente und zündete sie zuweilen auch an.

Hendrix und die Frauen

Eine ähnlich spektakuläre Entwicklung nahm Hendrix Beziehung zu Frauen. Zwischen der zarten Jugendliebe zu Carmen, über eine weitere Jugendliebe, die er in einem Versuch ein spießiges Leben zu haben heiraten wollte, bis hin zu Hunderten von Frauen während einer Tour, wie Charles R. Cross in seiner Hendrix Biographie behauptet, lagen nur wenige Jahre. Eine längere Beziehung blieb zu Kathy Etchingham. Treue gehörte aber auch hier nicht zu den Kernkopetenzen eines Jimi Hendrix. „Jimi war der erste Schwarze in der Geschichte der USA, auf dessen Körper weiße Frauen im Publikum ungeachtet seiner Hautfarbe scharf waren. Er war das erste schwarze Sexsymbol im weißen Amerika“.

Die Musik von Jimi Hendrix

Nicht verwunderlich, dass auch Jimi Hendrix Musikkarriere sehr verschlungene Wege nahm. In der Anfangszeit konnte er nicht von seiner Musik leben, versetzte in der Not seine Gitarre und kaufte sie wieder, tingelte mit verschiedenen und wechselnden Bands als Background-Gitarrist durch die Gegend. Dabei zog er sein Ding durch – flog wiederholt aus den Bands und wurde auch schon mal aus dem Tourbus geworfen und am Straßenrand stehen gelassen. Die Welt war noch nicht reif für Jimi Hendrix!

Das London der 60er wimmelte vor Legenden: McCartney, Lennon, Clapton, Mick Jagger, Pete Townshend, Jimmy Page. Ausgerechnet hier gelang dem Amerikaner der Durchbruch. Dabei musste er zur Reise nach Europa mit dem Versprechen gelockt werden, Eric Clapton kennenlernen zu dürfen.

Zurück in Amerika wurde er als „Englischer Popstar“ gehandelt und der Weg ging weiter nach oben. Bedeutsam war sein Auftritt beim Monterey Pop Festival, bei dem er seine Gitarre mit einem pseudoreligiösem Bekenntnis eines Opfers verbrannte. “The time I burned my guitar it was like a sacrifice. You sacrifice the things you love. I love my guitar.”

Legendär auch sein Auftritt auf dem Woodstock-Festival 1969 mit seiner „Interpretation“ der amerikanischen Nationalhymne. Später wird man sagen, er immitierte Kriegsgeräusche mit der Gitarre, denn schließlich befanden sich die USA im Vietnamkrieg. Dies hat Hendrix jedoch nie bestätigt. Es war auch einfach seine Spielweise. Elektrische Experimente, Verzerrungen, Effekte und der Einsatz des Tremolohebels waren die Mittel, mit der er seine wahnwitzige Virtuosität untermauerte und die Grenzen die Songformen sprengte.

Hey Joe

Beeinflusst von Bluesgrößen spielte Jimi Hendrix nicht nur deren Musik. Er entwickelte die Stücke weiter und prägte sie neu mit dem eigenen Stil. Bekannter geworden sind tatsächlich diese „Cover“, obwohl Hendrix auch wunderbare Eigenkompositionen veröffentlicht hat. „Hey Joe“ ist aber sicher noch ein besonderes Stück, weil es den Produzenten Chas Chandler auf Jimi aufmerksam machte und ihn letztlich nach England gebracht hat. Auch bei der Rückkehr nach Amerika war „Hey Joe“ von entscheidender Bedeutung.

Der Text handelt von einem Mann, der seine Frau (mehrfach!) erschießt, weil sie mit einem Anderen herummacht. Danach flüchtet er vor der Justiz nach Mexiko. Der Text ist jetzt nicht soooo anspruchsvoll und lässt jedes Mitgefühl für die ermordete Frau vermissen. Man kann ihn getrost als frauenfeindlich bezeichnen. Ursprünglich stammt die Komposition vermutlich von William Moses „Billy“ Roberts jr. aus dem Jahr 1961. Der Song wurde mehrfach gecovert. Jimi Hendrix´ Interpretation ist die mit Abstand bekannteste geworden.

Harmonisch ist der Song durch die ausschließliche Verwendung von Dur-Akkorden interessant. Die Akkordfolge lautet C-G-D-A-E. Auf einen Akkord folgt in der Progression also jeweils seine Quinte.

Das Ende

In den letzten Jahren hat Jimi Hendrix zunehmende die Bodenhaftung verloren. Exzessiver Drogenkonsum, Depression und Erschöpfung waren ständige Begleiter. Gestorben ist er in einem Hotelzimmer am Konsum von Alkohol und Schlaftabletten. Auf die Aufnahme in den legendären „Club 27“ hätte er wohl gerne verzichtet.

Jimi hat musikalische Ketten gesprengt. Er hat, obwohl als Mensch eher schüchtern und zurückhaltend, ein wildes, grenzenloses Musikerleben gelebt. Mick Jagger sagte über Hendrix: „Der hebt die Welt aus den Angeln“. Der Erste auf dem Mond eben. Tragisch, dass es auf der Erde keinen Halt für ihn gab.

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