Welche Dinge benötigt es, wenn man es zur Blueslegende bringen will? Zugegeben respektlos und zynisch könnte man sagen: Eine schwere Kindheit, viele Frauen und einen frühen, geheimnisvollen Tod. Robert Johnson hatte dies alles. Vor allem aber hatte er verdammt gute Musik! Hier die Geschichte von Robert Johnson und seinem „Sweet Home Chicago“.
Delta Blues
Um Robert Johnson und seine Musik besser verstehen zu können, hilft ein Blick in die Zeitgeschichte. In den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts war der Rassismus in Amerika alltäglich. Schwarze hatten neben Plantagenjobs und andere faktisch an Sklaverei grenzende Tätigkeiten kaum Möglichkeiten für Ihre wirtschaftliche Existenz zu sorgen. Rassentrennung war Standard und gesetzlich sowie gerichtlich gedeckt. Der KuKlux-Clan trieb sein Unwesen.
Mit diesen Rahmenbedingungen entstand um 1910 herum im Mississippi-Delta zwischen den Flüssen Mississippi und Yazoo eine Bluesform, die „Delta Blues“ genannt wurde. Die Stücke waren raue, sehr intensiv vorgetragene Musik mit leidenschaftlichem Gesang und meist sparsamer Gitarrenbegleitung. Die Gitarre wurde sehr rhythmisch, häufig auch Offbeat und erstmals auch mit Bottleneck-Technik eingesetzt. Der Delta-Blues ist „archaische“ Musik der Unterdrückten. Bekannteste Musiker sind Big Bill Broonzy, Mississippi John Hurt und eben Robert Johnson.
Leben am Limit
Eine kleine Verwirrgeschichte: Robert Johnson ist 1911 in Hazlehurst als Robert Leroy Dodds geboren. Er war das Kind aus einer Liebesbeziehung seiner Mutter. Allerdings hat sich diese Liebe nicht auf Ihren Ehemann bezogen. Der Ehemann … also der Stiefvater Johnsons … musste vor dem Lynchmob nach Memphis fliehen, wo er seinen Namen, wohl aus „Sicherheitsgründen“, von Dodds in Spencer änderte. Als Roberts Mutter ihrem Mann nach Memphis folgte, änderte sie ebenfalls ihren und den Namen ihres Sohnes in Spencer. Aber nur so lange, bis sie erneut heiratete. Als Roberts Mutter den Namen des leiblichen Vaters von Robert offenbarte, änderte dieser seinen Namen von Spencer in Johnson.
Aber auch unabhängig von den Wirrungen um Namen und Familienbeziehungen hatte Johnson keine behütete Kindheit und Jugend. Sein Stiefvater (der erste) schlug Robert häufig. Als seine Mutter aus der Ehe ausbrach, lies sie Robert zunächst beim Stiefvater. In der Schule war er eher mäßig erfolgreich, brach ohne Abschluss ab und arbeitete als Plantagenarbeiter. Seine musikalische Karriere startete mit der Mundharmonika, später dann mit offenbar schlechtem Gitarrenspiel, bis er – so die Legende – seine Seele an den Teufel verkaufte, um besser spielen zu können. Es ist nicht überliefert, warum Üben keine Option für Robert Johnson war.
Es ist nicht sicher, aus welchem Grund Robert Johnson gestorben ist. Die einen sagen, es war vergifteter Whiskey, den ein betrogener Ehemann dem Nebenbuhler eingegossen hat. Andere sagen, es wäre Syphilis gewesen. Sicher ist aber, dass Johnson mit 27 Jahren verstarb und damit zu legendären „Club 27“ früh verstorbener Musiker:innen gehört. Eine Mitgliedschaft, auf die er vermutlich auch gerne verzichtet hätte.
Kein Teufelswerk: Robert Johnson als Musiker
Der eigentliche Erfolg Johnson hatte mit einem Medienumbruch zu tun. Allerdings hießen „Streaming“ und „YouTube“ damals noch „Schellackplatte“. Johnson komponierte Stücke, die zur Veröffentlichung auf Platte geeignet waren und verhalf der Musik dadurch zu einer passenden „geschlossenen“ Form. Drei Minuten durfte ein Stück auf Platte dauern. Das war etwas völlig anderes als die Anforderungen auf Festen, wo eher „laut und lang“ gefragt war.
Am Anfang seiner Musikerzeit wurde Johnson wegen seines eher spärlichen Gitarrenspiels verspottet. Nach einem „Wanderjahr“ mit einem anderen Musiker, glänzte er aber mit virtuosem Gitarrenspiel. Das war wohl so bemerkenswert und überraschend, dass die Legende vom Verkauf seiner Seele an den Teufel die Runde machte. Noch heute kommt kaum ein Text über Johnson – dieser hier ja auch nicht – an dieser Geschichte vorbei.
Johnsons Texte handelten von Alltäglichen: Frauen, Waffen, Geld, Liebe und Autos. Johnson war zu Lebzeiten zwar ein gefragter Musiker an Samstagabenden, sein Einfluss auf die Entwicklung der Bluesmusik war unmittelbar nach seinem Tod jedoch vergessen. Erst als verschiedene Musiker wie Eric Clapton, die Rolling Stones oder Muddy Waters seine Stücke wieder aufnahmen, änderte sich dies gravierend. So unterschiedliche Musiker wie Jimi Hendrix, Bob Dylan und Keb Mo geben Johnson als wichtige Inspiration an. Eric Clapton adelten Johnson als „den größten Sänger, den größten Songwriter“. Wie gut, dass es Schellackplatten mit Originalaufnahmen gab!
Sweet Home Chicago
Eine ähnliche Verwirrgeschichte wie in der Biografie, findet sich in „Sweet Home Chicago“ wieder. Die Autorschaft wird Robert Johnson zugeschrieben, deutlich Pate stand jedoch auch Kokomo Blues von Kokomo Arnold (hieß vorher James Arnold :)). Fakt ist, dass das Stück von mehreren Musikern interpretiert wurde und es in den 20er und 30er-Jahren eher üblich war, dass Stücke „im Prozess“ über die Zeit und von mehreren Künstlern entstanden. Der Song geht heute als inoffizielle Hymne Chicagos durch. Der Originaltext bezieht sich jedoch auf Kalifornien. Harmonisch bewegt sich das Stück im Wesentlichen im Spektrum der 1., 4. und 5. Stufe. Eine gute und leichte Übung, um die Akkorde selbst herauszuhören.
Zahlreiche Coverversionen machten „Sweet Home Chicago“ berühmt. Unter anderem gaben Alexis Korner, Keb Mo, John Mayer und vor allem Eric Clapton und die Blues Brothers dem Stück jeweils ihre eigene Note. Meine Lieblingsinterpretation ist immer noch die der Blues Brothers, obwohl die mit „Delta Blues“ nicht mehr viel gemein hat. Aber ich bin sicher: Robert Johnson hätte es gefallen!